Beruf und Geschlechtergerechtigkeit

Geht es um das Erreichen der Karriereziele, stehen Frauen oft vor einer deutlich größeren Herausforderung als Männer. Das betrifft Berufseinsteigerinnen ebenso wie diejenigen, die bereits fest mit beiden Beinen im Berufsleben stehen. Dabei geht es nicht nur um die Lohnlücke, sondern auch um die Karrierechancen. Weiterhin klaffen deutliche Lücken beim Einkommen von Männern und Frauen in vergleichbaren Positionen und mit ähnlicher Berufsausbildung. Darüber hinaus sind Frauen in Führungspositionen noch immer eine Minderheit. Klassische Rollenbilder und patriarchalische Denkmuster sind Ursachen dafür. Bildungsmaßnahmen, Initiativen und Gesetze sollen dem nun in Deutschland entgegenwirken.

Frauen im Beruf: Gehaltsunterschiede und weiblich besetzte Führungspositionen

Das Gender Pay Gap beschreibt den Unterschied zwischen dem durchschnittlichen Brutto-Stundenlohn von Männern und Frauen, der bereits seit den 1970er kontrovers diskutiert wird. Zwar wurde dieser in den letzten Jahren immer kleiner, trotzdem verdienten Frauen im Jahr 2020 noch immer rund 18 % weniger als Männer.[1] Das gilt vor allem für Berufe, die klassisch von Frauen ausgeübt werden. Hier liegt das Gender-Pay-Gap sogar bei 27 %. Damit ist Deutschland trotz aller Fortschrittlichkeit eines der europäischen Länder, in denen das Gender Pay Gap am höchsten ist.[2] Gründe sind unter anderem:

  • Männer sind vorwiegend in technischen, Frauen eher in sozialen Berufen anzutreffen.
  • Erschwerend kommt hinzu, dass Frauen für die gleiche Arbeit bei identischer Ausbildung ein weitaus geringeres Gehalt als Männer bekommen.
  • Noch immer arbeiten mehr Frauen als Männer in Teilzeit.
  • Frauen sind meist länger in der Elternzeit und schneiden dadurch bei Beförderungen schlechter ab als Männer.
  • In der Geschäftsführung, Aufsichtsräten und weiteren Führungspositionen sind weniger Frauen als Männer zu finden.

Gehaltsunterschiede sind demnach ebenso ein Problem wie die unterschiedliche Verteilung der Aufstiegschancen zwischen Frauen und Männern in Unternehmen. Noch immer sind nur wenige Führungspositionen in Deutschland von Frauen besetzt: Laut dem statistischen Bundesamt war 2019 nur jede dritte Führungskraft in Deutschland weiblich. 2020 waren lediglich 11,5 % der Vorstandspositionen in den 200 größten deutschen Unternehmen von Frauen besetzt. In akademischen Berufen sieht das schon anders aus. Hier lag 2019 der Anteil von Frauen in Führungspositionen bei immerhin 45,4 %.[3] Doch woran liegt das eigentlich?

Gründe für Ungleichbehandlung von Mann und Frau im Job

Vor allem sind gesellschaftliche Probleme für die ungleiche Bezahlung zwischen Frau und Mann verantwortlich. Sie beginnen meist in der Kindheit und finden ihre Fortsetzung im Beruf und in der Familienplanung.

Erwartungshaltung der Familie

Oft sieht sich das weibliche Geschlecht mit veralteten Rollenbildern konfrontiert. Dazu gehört zum Beispiel die Vorstellung, dass Frauen Kinder bekommen und sich danach vollends der Familie widmen. Die erfolgreiche Führung des Haushalts, die Kündigung des Jobs und die Aufopferung für die eigene Familie werden oft vorausgesetzt und zählen zum veralteten Bild über Weiblichkeit. Ebenfalls verbreitet ist die Ansicht, dass sich Frauen nicht für MINT-Berufe eignen, die ein deutlich höheres Einkommen versprechen.
Diese Erwartungen fußen vor allem in den patriarchalen Strukturen vergangener Generationen. Doch auch wenn solche Rollenbilder längst nicht mehr zeitgemäß sind, sind viele Frauen noch immer durch sie geprägt.

Rollenbildvermittlung in der Bildung

Doch nicht nur in der Familie werden alte Rollenbilder vermittelt. Auch in Schulen werden Mädchen wenig bis gar nicht in den MINT-Fächern gefördert. Das wirkt sich auf die schulische Leistung aus. So schnitten 2016 männliche Teilnehmer in Österreich in der Zentralmatura wesentlich besser in Mathematik ab als ihre Mitschülerinnen.[4] Als Folge davon glauben viele Mädchen, dass sie einfach keine Mathe-Überflieger seien.
Anders sieht das in den anderen naturwissenschaftlichen Fächern aus. Hier schneiden Mädchen im Allgemeinen genauso gut ab wie die Jungs, dennoch sind Frauen in diesen Beschäftigungsfeldern weiter unterrepräsentiert.[5] 

Auch der Einfluss von Schulbüchern wurde lange unterschätzt. Lange wurde hier das Klischee der Frau als Familienhüterin und des Mannes als Brotbringer gelebt. Heute ist das zwar anders, trotzdem herrscht dieses Rollenbild noch in vielen Köpfen von Lehrern vor.

Erwartungen nehmen Einfluss auf das Selbstbild

All diese Aspekte spiegeln die Erwartungen an Frauen aufgrund eines veralteten Frauenbildes wider. Auch wenn Frauen in der Bundesrepublik offiziell seit 1958 arbeiten dürfen, sorgen vergangene Erwartungshaltungen noch immer für starken Druck, mit dem sich Frauen bereits in der frühen Karriere auseinandersetzen müssen.

Die Sozialisation und übernommene Einstellungen beeinflussen zudem erheblich das Selbstbild und führen dazu, dass viele Frauen in Gehaltsverhandlungen weniger hoch einsteigen und sich keine Führungspositionen zutrauen. Solange diese veralteten Rollenbilder noch in unseren Köpfen verankert sind, wird es schwer, das Gender Pay Gap zu senken. Außerdem mangelt es gerade jüngeren Frauen oft an Vorbildern, da Karriere noch immer vorranging mit Männern assoziiert wird. Entsprechende Bildungsmaßnahmen und Initiativen können helfen, dass sich die Selbstwahrnehmung der Frauen nach und nach ändert.

Gender Gap
Trotz gleicher Qualifizierung verdienen noch immer viele Frauen zu wenig.

Bildungsmaßnahmen, Gesetze und Initiativen in Deutschland

Unzählige Initiativen und Aktionen, wie beispielsweise zum „Internationalen Tag der Frauen“, machen auf die Ungleichbehandlung der Frau aufmerksam.[6] Weitere Gesetze und Initiativen in Deutschland setzen sich ebenfalls für eine bessere Gleichstellung ein.

Die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie

Mit der „Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie“ will Deutschland die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen umsetzen. Eines der 17 globalen Ziele beschäftigt sich damit, Geschlechtergerechtigkeit herzustellen. Ein Ziel der Bundesrepublik ist es, die Abweichungen in den Bruttostundenverdiensten bis 2030 auf höchstens 10 % zu senken. Außerdem wurde darin festgelegt, dass die Zahl der Frauen in Aufsichtsräten von an der Börse notierten Unternehmen auf 30 % erhöht werden soll. Zusätzlich sollen mehr Mädchen und Frauen bei der Entwicklungshilfe unterstützt werden.[7]

Förderung der Entgeldtransparenz

Auch durch das Gesetz zur Förderung der Entgelttransparenz zwischen und Frauen und Männern soll die Lohnlücke langsam verschwinden. So haben seit Januar 2018 Arbeitnehmer das Recht, Informationen zu den Entgeltstrukturen im Unternehmen einzuholen. Hierzu müssen sich Interessierte in der Regel an den Betriebsrat wenden. Diese Transparenz kann helfen, dass Frauen ihr Gehalt mit mehr Nachdruck an das ihrer männlichen Kollegen anpassen, indem sie gezielter in Gehaltsverhandlungen starten.

Gesetz zur gleichberechtigten Teilhabe von Frauen und Mindestquote

Einen Wandel verspricht das Gesetz zur gleichberechtigten Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst. Dadurch haben mehr Frauen die Chance, einen Anspruch auf eine leitende Stelle in einem wirtschaftlichen Unternehmen oder der Politik zu erheben. Auch die seit 2016 festgesetzte Mindestquote für Geschlechter zielt darauf ab, dass 30 % der Aufsichtsrat-Posten von Frauen besetzt werden. Findet sich für diese Position keine Frau, bleibt sie unbesetzt.

MINT-Pakt

Der MINT-Pakt wurde ins Leben gerufen, um mehr Mädchen und Frauen für MINT-Berufe zu begeistern. Hiermit soll alten Rollenbildern gegengesteuert und gleichzeitig der Fachkräftemangel in MINT-Berufen behoben werden.

Girl’s Day und weitere Initiativen

Der seit 2002 jährlich stattfindende Girls’ Day soll junge Mädchen ebenfalls dazu ermuntern, naturwissenschaftliche und technische Berufe in Betracht zu ziehen. Darüber hinaus gibt es einen Boys’ Day, der die typisch weiblich konnotierten Berufe für Männer zugänglicher machen soll.

Im Folgenden haben wir einige weitere Initiativen aufgeführt, die zu einem Abbau der Geschlechterklischees beitragen sollen:

Wandel zu mehr Gleichheit verwirklichen

Noch immer werden Frauen ungleich behandelt und haben es deutlich schwerer als Männer, im Beruf erfolgreich zu sein. Diese und viele weitere gesellschaftliche Faktoren machen Female Empowerment erforderlich. Frauen werden mit Female Empowerment auf wirtschaftlicher und sozialer Ebene gefördert und erhalten damit die gleichen Chancen wie Männer. Die deutsche Übersetzung von Empowerment (Ermächtigung) wirkt hier auf den ersten Blick etwas radikal. Männer sollen dadurch nicht von Frauen aus den Führungspositionen enthoben werden. Vielmehr geht es um die Bestärkung von Frauen in ihrer Selbst- und Fremdwahrnehmung und um die Vermittlung des notwendigen Selbstvertrauens.

In der Summe sorgen große und kleine Handlungen für mehr Gerechtigkeit in der Welt. In sozialen Medien sind Hashtags wie #girlboss, #womansupportingwoman oder #femaleempowerment vertreten. Die Geschlechtergerechtigkeit wird in der Gesellschaft heiß diskutiert. Außerdem gibt es, wie eben aufgezeigt, rund um den Weltfrauentag zahlreiche Marketingkampagnen für unternehmensseitige Statements zur Gleichstellung. Auch Gesetze und Initiativen sollen es Frauen in Zukunft ermöglichen, leichter Karriere zu machen – frei von jeglichen Geschlechterklischees.

Mehr Chancen und Gerechtigkeit unter den Geschlechtern und Female Empowerment sollen mit allen diesen Aktionen und Beschlüssen unterstützt werden. Das führt jedoch noch nicht zu einer umgehenden fairen Bezahlung aller Frauen. Bis die Zahl von Männern und Frauen in Führungspositionen ausgeglichen ist, ist es noch ein langer Weg. Der Wandel ist jedoch schon spürbar und sichtbar. Wie uns die Geschichte gelehrt hat, benötigt jeder Wandel Zeit. Ist er vollzogen, möchte kaum jemand mehr in die Vergangenheit zurückkehren. Erfahre im Mini-Magazin „Frauen & Karriere“ mehr rund um das Thema Female Empowerment!

Quellen:

[1] Vgl. https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2021/03/PD21_106_621.html
[2] Vgl. https://www.absolventa.de/karriereguide/arbeitsentgelt/gehaltsunterschied-maenner-frauen
[3] Vgl. https://www.destatis.de/DE/Themen/Arbeit/Arbeitsmarkt/Qualitaet-Arbeit/Dimension-1/frauen-fuehrungspositionen.html
[4] Vgl. https://www.derstandard.at/story/2000041711092/wie-rollenbilder-sich-auf-schulleistungen-auswirken
[5] Vgl. https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/nachhaltigkeitspolitik/gleichstellung-von-frauen-und-maennern-841120
[6] Vgl. https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/nachhaltigkeitspolitik/gleichstellung-von-frauen-und-maennern-841120
[7] Vgl. https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/nachhaltigkeitspolitik/gleichstellung-von-frauen-und-maennern-841120

Lina Korb (Gastautor)

Lina Korb ist Kauffrau für Audiovisuelle Medien und hat im Anschluss Wirtschaftskommunikation an der HTW Berlin studiert. Seit 2015 schreibt sie für das Digital Magazin Neoavantgarde. Ihre Themenfelder sind weitreichend. Über digitale Kunst bis hin zu Female Empowerment ist alles vertreten.
Neoavantgarde ist ein Digitalmagazin aus Berlin, das sich mit Kunst und Kultur beschäftigt.

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