Stellt euch doch mal Folgendes vor: Es ist Donnerstag, siebzehn Uhr – die Sonne scheint, und ihr seht zu, dass ihr eure Arbeit pünktlich erledigt bekommt, um noch das gute Wetter genießen zu können. Rechner herunterfahren, Sachen packen, sich von den Kollegen verabschieden, und schon seid ihr im Feierabend. Herrlich! Doch kaum seid ihr entspannt zu Hause angekommen, klingelt das Handy: Der Chef ruft an …
Kennt ihr das? Kennt ihr auch diesen Zwiespalt: Gehe ich jetzt ran oder nicht? Wenn ich den Anruf annehme, muss ich mich möglicherweise mit unangenehmen Aufgaben auseinandersetzen. Ignoriere ich den Anruf, frage ich mich die ganze Zeit, was der Chef wohl wollte …
Reagieren oder ignorieren?
Eine echt verzwickte Situation, die richtig stressen kann, wenn sie häufiger auftritt. Ich habe bei einem früheren Arbeitgeber des Öfteren solche Anrufe bekommen, egal ob im Urlaub oder im Feierabend. Mal hat der Chef eine Unterlage gesucht (die genau dort lag, wo sie hingehörte), mal musste die Kollegin nachfragen, wie weit ich denn mit der und der Sache wäre. Klar hätte das auch bis morgen warten können, aber wozu? Mein damaliger Chef war eben der Ansicht, dass das Geschäft vorginge und die Mitarbeiter das Wohl der Firma ebenso wie er selbst über das persönliche Befinden stellen müssten. Die Krönung war übrigens sein Anruf am 24. Dezember morgens um sieben …
Was kann man tun, um einer solchen Vereinnahmung zu entgehen?
Nun, zum einen natürlich das, was eigentlich meistens hilft: reden.
Das Ergebnis hängt allerdings ganz stark von der Persönlichkeit des jeweiligen Vorgesetzten oder auch Kollegen ab. Sieht er oder sie ein, dass die Grenze zwischen Arbeits- und Privatleben zu häufig überschritten wird? Vielleicht war es ja auch nur Gedankenlosigkeit – manche Führungskräfte schauen kaum auf die Uhr und merken nicht, dass die Mitarbeiter eigentlich schon im wohlverdienten Feierabend sind.
Was sagt eigentlich das Gesetz?
Sind die Störungen aber ganz bewusst (frei nach dem Motto „mein Mitarbeiter muss mir jederzeit zur Verfügung stehen“), wird es schon schwieriger. Meiner Erfahrung nach sehen diese Vorgesetzten selten ein, dass sie im Unrecht sind. Denn das sind sie tatsächlich: Das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) regelt ganz klar, dass nach acht Stunden Arbeit eine Ruhezeit von elf Stunden eingehalten werden muss. Und das Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) sorgt dafür, dass ihr ein Recht auf Erholung im Urlaub habt. Möglicherweise kann euer Betriebsrat hier vermittelnd eingreifen, oder ihr geht schlicht nicht ans Telefon oder schaltet es ganz aus (laut Gesetz dürft ihr das). Was aber wieder obengenannten Stress zur Folge hat – und möglicherweise einen Rüffel am nächsten Morgen. Irgendwie auch keine Alternative.
Und wenn alles nichts hilft? Jobwechsel …
Wenn alles Reden nichts hilft und euer Vorgesetzter beratungsresistent ist, müsst ihr für euch ganz persönlich abschätzen, ob ihr mit solchen Störungen leben könnt oder wollt. In meinem Fall war es so, dass ich mir einen neuen Job gesucht habe. Und was soll ich euch erzählen? Der hat mir so gut gefallen, dass es mir auf einmal überhaupt nichts mehr ausgemacht hat, in meiner Freizeit ab und zu (und es kommt ja auch auf das Maß an) „gestört“ zu werden und ich das sogar aktiv angeboten habe.
Und mein Fazit zu dieser Geschichte?
Wie alles im Leben hat auch diese Medaille zwei Seiten.
- Macht euch der Job Spaß und ihr habt kein Problem damit, im Urlaub oder abends vom Arbeitgeber angesprochen zu werden, ist alles paletti.
- Seid ihr hingegen gestresst und genervt, stellt euch die Frage: Kann ich an der Situation etwas ändern?
- Wenn ja: versuchen.
- Wenn nein: Könnt ihr euch vorstellen, das noch weitere Jahre so durchzuziehen?
- Wenn ja: versuchen (viel Glück!).
- Wenn nein: Ändert was! Sucht euch einen neuen Job mit einem Chef, der eure Arbeit wertschätzt – aber auch eure Freizeit. Davon gibt es mehr, als ihr jetzt vielleicht denkt …
Alles Gute – und schönen Feierabend 😉
Der Hinweis mit einem Jobwechsel sollte nun wohl die allerletzte Möglichkeit sein. Und der Hinweis, dass man im neuen Job evtl. Spaß dran hat in seiner Freizeit berufliche Dinge zu erledigen halte ich für diesen Artikel als sehr unpassend, weil es schließlich um den Schutz des Arbeitnehmers gehen sollte.
Für mich eindeutig falsche „Ratschläge“.