„Ihr Arbeitsvertrag wird hiermit fristgerecht […] gekündigt.“ Ich schluckte und hatte Mühe, Luft zu bekommen. Das Schreiben, das ich gerade in den Händen hielt, besiegelte meine Zukunft. In wenigen Wochen würde ich arbeitslos sein, zum ersten Mal in meinem Leben. Dabei hatte ich doch erst einige Monate zuvor meinen sicheren Job gekündigt, um mich beruflich und persönlich neu zu orientieren. Ich war felsenfest davon überzeugt, die richtige Stelle gefunden zu haben. Und jetzt war ich diesen Job los.
Ich blickte auf meine Frau und meinen damals knapp zweijährigen Sohn. Vor meinem inneren Auge tauchte unser Kontostand auf, wie er sich in den kommenden Wochen kontinuierlich in den roten Bereich drehen würde. Und egal, wie sehr ich mich in diesem Moment auch um Fassung bemühte, mir rannen unaufhaltsam Tränen übers Gesicht …
So wie für mich vor fast zehn Jahren, so durchleben wir aktuell alle sehr schwierige Zeiten und auf viele Fragen gibt es noch keine belastbaren Antworten. Klar ist: Es gibt so gut wie kein Unternehmen, dem die Corona-Krise nicht zugesetzt hätte. Und das hat unmittelbare Auswirkungen auf die Mitarbeiter.
Vielleicht hast du in den letzten Tagen ja selbst einen Brief deines Arbeitgebers bekommen, in dem dir mitgeteilt wurde, dass für dich Kurzarbeitergeld beantragt wurde oder man dir sogar aufgrund der wirtschaftlichen Schieflage die Kündigung aussprechen muss. Oft sind es solche Anlässe „von außen“ wie Kündigung, Trennung oder betriebliche Veränderungen, die dich in einen Denkprozess bringen:
- Bin ich noch richtig in meinem Beruf?
- Ist es Zeit für etwas Neues?
- Was will ICH eigentlich?
Ich halte es für sehr wichtig, dass du so einen Denkprozess weder „zwischen Tür und Angel“ noch aufs Geratewohl durchführst, sondern dir intensiv Raum für die Zeit der Veränderung nimmst.
Als Jobcoach habe ich unzählige Blog-Artikel und Dutzende von Fachbüchern rund ums Thema Jobsuche und Bewerbung gelesen. Wenn ich mich für ein einziges Buch entscheiden müsste, das ich Jobsuchenden aber voll und ganz empfehlen kann, dann ist es „Durchstarten zum Traumjob“ von Richard Nelson Bolles (Campus Verlag, 411 Seiten, 27,95 €). Gebraucht ist es schon für drei bis vier Euro zu bekommen. Untertitelt ist es mit „Handbuch für Ein-, Um- und Aufsteiger“. Denn auch, wenn das Buch ein echter Klassiker ist und schon 50 Jahre auf dem Buckel hat (amerikanische Erstausgabe 1970 mit anschließenden ständigen Neuauflagen), hat es einen so ganz anderen Ansatz als die typischen Ratgeber: Nämlich nicht „Wie sieht die perfekte Bewerbung aus?“ oder „Wie führe ich das optimale Bewerbungsgespräch?“.
Stattdessen beginnt Bolles mit drei einfachen Fragen:
- Was? Was habe ich der (Arbeits-)Welt zu bieten?
- Wo? Wo genau möchte ich in Zukunft meine Fähigkeiten einsetzen?
- Wie? Wie kann ich auf die für mich interessanten Firmen optimal zugehen?
In den dann folgenden knapp 350 Seiten (und im umfangreichen Anhang) füllt er das Ganze systematisch mit vielen praxisnahen Beispielen, mutmachenden Anregungen und einer guten Prise Humor. Bolles macht deutlich, dass sich die herkömmlichen Bewerbungsmethoden durch dramatisch niedrige Erfolgsquoten auszeichnen. Auch Mythen wie „Im Internet findest du am schnellsten wieder Arbeit“ entkräftet er eindrucksvoll.
Schnell wirst du bei der Lektüre dieses Buches verstehen: Nicht der Mangel an Jobs ist das Problem, sondern die Art, wie wir nach ihnen suchen! Es geht nicht darum, einfach irgendeinen Job zu finden, sondern den passenden. Und weil das viel mit der eigenen Persönlichkeit zu tun hat, gibt es im Buch immer wieder auch Übungen zum Selbstausprobieren, mitunter auch ganz schön herausfordernd, weil es an die Grundfesten der eigenen Persönlichkeit geht, um eine wirklich solide Basis von Ich-Stärke und Selbstbewusstsein zu schaffen. Denn, so sagt Bolles:
„Die Jobsuche ist ein Spiel. Das Wichtigste, was Sie bei diesem Spiel verlieren können, ist Ihr Selbstwertgefühl.“
Dieses „Spiel“ der Jobsuche ist bei den meisten aber eher mit Angst und Furcht besetzt als mit Freude, gerade in wirtschaftlich so unsicheren Zeiten wie derzeit. Dem hält Bolles entgegen:
„Wenn Sie einen neuen Job suchen oder den Beruf wechseln wollen, sollten Sie sich Folgendes auf den Spiegel schreiben: ‚Es gibt immer Jobs − in guten wie in schlechten Zeiten‘.“
Alles im Buch dreht sich darum, ungewöhnlich, abwechslungsreich, individuell und mit Freude den passenden neuen Job zu finden.
So listet Bolles z. B. die fünf besten Bewerbungsstrategien auf:
- Frag deine Freunde, Verwandten, Nachbarn etc., ob sie von freien Stellen (z.B. in der eigenen Firma) gehört haben. 33 von 100 Jobsuchenden finden mit dieser Methode einen neuen Job.
- Frag direkt in den Firmen, Unternehmen und Organisationen, die dich interessieren, nach, ob es freie Stellen gibt. Die Erfolgsquote der Klinkenputzer: 47 %.
- Es hört sich für viele Jobsuchende vielleicht altmodisch an, aber es funktioniert mit 69 % nachweislich ziemlich gut: Werte die Gelben Seiten (oder andere Branchenverzeichnisse) aus und ruf die Unternehmen an, zu denen deine Fähigkeiten passen.
- Schließ dich mit anderen Jobsuchenden zusammen und nutzt gemeinsam die Gelben Seiten. Zusammen ist man stark, was man daran sieht, dass mit dieser Methode 84 von 100 Arbeitsuchenden erfolgreich sind.
- Oder du entscheidest dich dafür, deine Jobsuche sprichwörtlich lebensverändernd zu gestalten, indem du im Vorfeld der eigentlichen Jobsuche zuerst deiner Persönlichkeit und deinen Werten auf die Spur kommst. 86 % schaffen so erfolgreich den Sprung in einen neuen Job oder sogar in einen komplett neuen Beruf!
Deinen Job zu verlieren oder vor lauter Frust „in den Sack zu hauen“, muss keine Katastrophe sein. Ganz im Gegenteil: Sieh es als Wendepunkt in deinem Leben und große Chance zum Neuanfang an. Denn du bist ja nicht wirklich arbeitslos: Die Arbeitssuche ist dein neuer Vollzeitjob, in dem du (endlich) danach gehst, was du wirklich willst, denn:
„Bei der Entscheidung, jemanden einzustellen, sind ähnliche Mechanismen am Werk wie bei der Entscheidung, jemanden zu heiraten.“
Wie wäre es also, wenn dein neuer Job keine kühle Vernunftsentscheidung, sondern eine Art Liebesheirat ist – du mit all deiner Persönlichkeit und der wirklich passende Job?
Klar mag das für manchen blauäugig, kitschig oder typisch amerikanisch klingen – aber der Erfolg gibt Bolles einfach recht. Die sogenannten Werkakademien nach dem „work-first“-Ansatz, mit denen Jobcenter seit einigen Jahren extrem gute und vor allem nachhaltige Arbeitsaufnahmequoten erzielen, basieren zu großen Teilen auf Bolles‘ Ideen.
Im Buch beantwortet der Autor auch die stumm mitschwingende Frage „Was, wenn alles nichts klappt?“ An dieser Stelle will ich aber nicht spoilern, sondern nur so viel verraten: Die Antwort könnte dein Leben nachhaltig zum Positiven verändern und einige innere Verletzungen heilen …
Alles in allem ist das Buch aus meiner Sicht ein absolutes „must-have“ für die Jobsuche!
Mal wieder ein klasse Artikel! Und es stimmt, Richard N. Bolles ist der „Papst“ der beruflichen Neuorientierung und er hat dazu schon geschrieben, als man in Deutschland noch gar nicht wusste, dass berufliche Neuorientierung überhaupt ein Thema ist.