Immer öfter gibt es in Organisationen und Unternehmen nicht mehr DEN Vorgesetzten oder den „einen“, der das Sagen hat. Anders als bei traditioneller Führung wird die Last auf mehrere Schultern verteilt. Selbstorganisierte Teams müssen deshalb über die notwendigen Skills verfügen – vor allem über Selbstführungskompetenz.
Wie viel Führung braucht man in Selbstorganisationen?
Generell braucht man mehr Führung – und eine andere Form der Führung: Sie geht nicht nur punktuell von einer Person aus, sondern alle Teammitglieder peilen das Ziel gemeinsam an. Ein Teammitglied kann die Führung je nach erforderlicher Kompetenz zeitweise übertragen bekommen. Ist die aktuelle Aufgabe erledigt, wird die Führungsverantwortung auf einen anderen Mitarbeiter übertragen, der das Team in der nächsten Phase voranbringt. Die Richtung ist vorgegeben, der Weg aber nicht unbedingt. Er kann je nach Ressourcen und Know-how durchaus neu berechnet werden.
Führung situativer gestalten
Unternehmen denken immer häufiger über mehr Selbstorganisation nach und möchten ihre Organisation agiler gestalten. Dahinter steckt auch das Ziel, auf neue Herausforderungen schnell und unkompliziert zu reagieren und zielgenaue Lösungen zu entwickeln. Das bedeutet, dass auch Führung sich immer neu ausrichten muss: Sie sollte nicht allgemeingültig, sondern agiler auf Situationen hin anpassbar sein, damit das eigentliche konkrete Ziel bestmöglich erreicht wird.
Vom „Ansager“ zum Gestalter
In Selbstorganisationen braucht es Führung, die direkt aus dem Team heraus kommt, und einen allgemeinen Rahmen, um den sich Führungsgestalter kümmern. Solche Rahmen leiten sich zum Beispiel aus Strukturvorgaben ab. Zu den typischen Modellen gehören SCRUM oder Kanban, darin werden bestimmte Rollenbilder umgesetzt. Dabei sorgt der Scrum-Master als Rolleninhaber für die Strukturen und die Einhaltung der Regeln, während der Product Owner beispielsweise die Strategie vorgibt.
Wenn diese Rollen von Mitgliedern des selbstorganisierten Teams ausgeführt werden, wird keine Führung im traditionellen Sinne mehr benötigt – man braucht keinen „Ansager“ oder „Vormacher“.
Es braucht zwar weiter eine Top-down-Führung, aber die Rolle der Führungskräfte ändert sich: Sie werden zu Gestaltern, die den passenden Handlungsrahmen bereitstellen, in dem sich selbstorganisierte Teams bewegen können. Sie geben aber nicht mehr den Takt vor, sie sind auch nicht Teil des Teams.
Entscheidungen zu treffen bleibt aber auch in Zukunft eine wichtige Führungskompetenz, denn auch bei Selbstorganisation muss eine klare Richtung vorgegeben sein. In Situationen, in denen zu viel diskutiert und emotionalisiert wird, muss auch mal einen Punkt gesetzt und ein Abschluss gefunden werden.
Selbstführung als Basis für Selbstorganisation
Bei Selbstorganisation ist es notwendig, situativ und zusammenhangsbezogen unterschiedliche Blickwinkel einzunehmen. Dafür besonders wichtig ist die grundsätzliche Fähigkeit von Führungskräften zur Selbstführung. Denn nur wer die Selbstführung gut beherrscht, kann Verantwortung für sich und danach auch für andere übernehmen.
Für den Erfolg selbstorganisierter Teams ist es wichtig, innerhalb des Handlungsrahmens situativ und zielorientiert zu arbeiten. Manchen Teammitgliedern gelingt das besser, zum Beispiel weil ihnen selbstorganisierte Arbeitsformen schon vertraut sind. Andere müssen erst versuchen, sich zurechtzufinden. Manche überzeugen mit unternehmerischer Denk- und Handlungserfahrung, andere haben wenig Ahnung von Planung, aber dafür ganz andere herausragende Stärken, von denen das Team später profitieren kann. Hier kommt wieder die Selbstführungskompetenz ins Spiel: Teammitglieder mit ausgeprägter Selbstführungskompetenz sollten diese Situationen erkennen, reflektieren und danach handeln.